Dienstag, 03 Juli 2018 15:11

FM-ANLAGE, AUCH PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG ZAHLT ÜBERTRAGUNGSANLAGE

Eine FM-Anlage inklusive technischer Vorrichtungen (Audioschuh) zur Einbindung an einen Sprachprozessor eines Cochlea-Implantats, ist ein von der  PKV erstattungsfähiges Hilfsmittel.

Einige Tarifbedingungen der Privaten Krankenversicherungen weisen einen abschließenden Katalog an erstattungsfähigen Hilfsmitteln auf. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH zur Wahrung der Beitragsstabilität zulässig. Einige Tarifbedingungen -die vertraglich zwischen Versicherungsnehmer und Versicherung vereinbart werden - erwähnen sehr pauschal lediglich "Hörgerät" als erstattungsfähiges Hilfsmittel.

Der Streit ist also vorprogrammiert, wenn es um die medizinisch notwendige Versorgung bspw. bei einer Innenohrschwerhörigkeit geht.

Im hier entschiedenen Fall wurde durch ein medizinisches Gutachten belegt, dass der beidseits CI versorgte Mandant lediglich unter Einbindung einer FM-Anlage in geräuschvoller Umgebung ein adäquates Sprachverstehen erzielen konnte. Die vorhandene FM-Anlage konnte nur mit streitgegenständlichen Audioschuhen an die vorhandenen externen Peripherigeräte der Cochlea-Implantate (Sprachprozessoren) technisch eingebunden werden.

Die Argumente der PKV: Der Katalog an Hilfsmitteln sei durch Aufzählung konkreter Hilfsmittel abschließend geregelt; Die Tarifbedingungen sehen eine Erstattungspflicht lediglich für "Hörgeräte" vor; Hörgeräte seien ausschließlich Schallleitungshörgeräte; durch die CIs sei die versicherte Person ausreichend medizinisch versorgt.

Ein Standpunkt, der den vielen möglichen Formen einer Hörbehinderung nicht gerecht wird und zu dem Ergebnis führen würde, dass die PKV bei Mittelohr- oder Innenohrfunktionseinschränkungen keine Leistungspflicht träfe.

Mit dem Urteil des Amtsgerichts Heidenheim a.d. Brenz (Az.: 5 C 1115/16 vom 04.08.2017), welches in der Berufungsinstanz durch das Landgericht Ellwangen (Az.: 1 S 113/17) bestätigt wurde, wird dem Kläger die Erstattung der Kosten für die Audioschuhe zur Einbindung der FM-Anlage zugesprochen.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtssprechung sind allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicheurngsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnsismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Ein solcher Versicherungsnehmer wird zunächst vom Wortlaut der Bedingungen ausgehen, wobei für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens maßgebend ist. In diesem Sinne wird der Versicherungsnehmer ein Hörgerät zunächst als ein Gerät für Hörgeschädigte auffassen, um deren Hörfähigkeit zu verbessern (so auch die Definition im Wiki-Wörterbuch "wiktionary") und auch der Duden definiert: "Hilfsgerät für hörgeschädigte Personen zur Verbesserung des Hörens". In der freien online-Enzyklopädie Wikipedia ("www.wikipedia.org") findet sich zum Artikel ,,Hörgerät" folgende Einleitung: ,,Ein Hörgerät ist ein Hilfsmittel, welches dem Ausgleich eines Funktionsdefizits des Hörorgans und damit der Verbesserung bis zur Wiederherstellung des Sprachverständnisses und der sozialen Eingliederung Hörgeschädigter dient. Kindern mit Hörminderung soll durch eine Hörgeräteversorgung der Sprachenverb ermöglicht bzw. die Sprachentwicklung gefördert und der Schulbesuch ermöglicht werden."

Für das Verständnis des Versicherungsnehmers ist in Bezug auf den Hilfsmittelbegriff auch der 1. Satz in Teil lll B 2.5 (der konkreten Versicherungsbedingungen) mitzubeachten, wonach es sich um technische Mittel zur unmittelbaren Milderung oder zum Ausgleich körperlicher Behinderungen handelt. Mit diesen Definitionen und der Verwendung des Begriffes ,,technisch" wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer in diesem Bereich auch die forschreitende technische Entvvicklung gerade der medizinischen Hilfsprodukte ebenfalls in den Blick nehmen. Gerade im vorliegenden Fall hilft auch nur ein solches Verständnis für die Auslegung des Begriffs ,,Hörgerät" im Hilfsmittelkatalog der Beklagten weiter, da - um nochmals aus dem lnhalt des oben genannten Artikels in Wikipedia (dort im Abschnitt ,,Hörhilfen mit lmplantaten") zu zitieren: ,,Cochlea Implantate [...] keine Hörgeräte im traditionellen Sinn [sind], die das lnnenohr über gewandelten und verstärkten Luft- oder Substratschall reizen". Die Wirkungsweise der lmplantale unterscheidet sich daher von üblichen Hörgeräten, aber dennoch werden sie zwischenzeitlich sowohl im medizinischen, wie im krankenversicherungsrechtlichen und vor allem auch im allgemeinen Sprachgebrauch als ,,Hörgeräte" aufgefasst. Dies hat auch die Beklagte mit ihrer insoweit vorgenommenen Erstattung (für die Cochleaimplantate) zugestanden.

Diese - den Begriff des Hörgeräts bereits um die technische Entwicklung entsprechender Hilfsmittel zum Ausgleich der körperlichen Behinderung ,,Schwerhörigkeit" bzw. ,,Gehörlosigkeit" erweiternde- Auslegung führt vorliegend dazu, dass auch die dem Sohn des Klägers ärztlich erordneten Audioschuhe nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse unter den im Hilfsmittelkatalog der Beklagten verwendeten Begriff des Hörgeräts fallen.

Dies ergibt sich aus der von den üblichen Schallleitungs- bzw. Schallverstärkungshörgeräten abweichenden Funktionsweise der beim Sohn des Klägers verwendeten lmplantate. Hier werden über ein externes Mikrofon und einen Sprachprozessor akustische Signale in digitale umgewandelt. Diese wiederum werden über magnetische Spulen an eine Stimulationsschaltung (Signalprozessor) übertragen, welche hieraus elektrische Ströme für die Elektroden in der Cochlea (Hör- bzw. Gehörschnecke) erzeugen, um dort den Hörnerv zu erregen bzw. zu stimulieren. Um ein ausreichendes, für eine zwischenmenschliche Kommunikation notwendiges Sprachverständnis eines mit einem Cochlea lmplantat versorgten Gehörlosen zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass auf das lmplantat nur solche akustischen lnformationen als elektrische lmpulse übertragen werden, welche für das Verstehen der Sprache erforderlich sind.

ln den allermeisten Alltagssituationen ist jedoch Störlärm vorhanden, welcher es gerade auch dem Cochlea implantierten Gehörlosen unmöglich macht, ein ausreichendes Sprachverständnis zu erzielen, da die Digitalisierung der akustischen Signale bei Störlärm nicht zu einer ,,verständlichen" elektrischen Stimulation führen kann. Um daher insbesondere in Situationen mit Hintergrundgeräuschen (Störlärm), z. B. durch mehrere Personen oder in Personengruppen oder Situationen mit ungünstigen akustischen Bedingungen, z. B. in größeren, ungedämmten / halligen Räumen, weiterhin ein ausreichendes Sprachverstehen über das Hörgerät Cochlea lmplantat zu ermöglichen, ist die Verwendung einer FM-Anlage und für deren Verbindung mit dem Cochlea System wiederum die Verwendung von Audioschuhen unabdingbar.